Ihren Ursprung hat die Pflegschaft im römischen Recht. Die Pflegschaft (genannt: Cura) war für Geisteskranke, Verschwender und für mündige Minderjährige vorgesehen. Der Pfleger (Curator) sollte die Nachteile ausgleichen, die sich durch die konkrete Person des sogenannten Pfleglings ergaben. Die Cura äußerte sich darin, dass Rechtsgeschäfte des Pfleglings bei Abschluss zunächst schwebend unwirksam waren und diese erst mit der Zustimmung durch den Curator wirksam wurden.
In unserem heutigen Rechtssystem stellt Pflegschaft ein Instrument dar, um bei einem konkreten Bedarf einer oder mehrerer natürlicher Personen einen gesetzlichen Vertreter zu bestellen, der für den oder die Betroffenen handeln kann, wenn diese selbst nicht in der Lage sind, ihre Interessen wahrzunehmen oder ein bereits vorhandener gesetzlicher Vertreter (zum Beispiel wegen eines Insichgeschäftes) von der Vertretung ausgeschlossen ist. Somit unterscheiden sich Pflegschaften von Betreuungen darin, dass ein gesetzlicher Vertreter nicht wie bei der Betreuung für ganze Lebensbereiche (zum Beispiel Behördenangelegenheiten, Gesundheitsfürsorge) bestellt wird, sondern lediglich für einen klar umrissenen Sachverhalt oder Zeitraum, weil ein besonderes Schutzbedürfnis für den oder die Betroffenen besteht.
Alle Pflegschaften haben somit einen Fürsorgecharakter, welcher dafür Sorge tragen soll, dass die Rechte des Betroffenen durch einen Pfleger wahrgenommen werden. Dieser gerichtlich bestellter Pfleger ist ausschließlich in dem Bereich, für den er bestellt wurde – dem sogenannten Aufgabenkreis – der gesetzliche Vertreter des Betroffenen.
Die rechtlichen Grundlagen von Pflegschaften sind in den Paragrafen 1909 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) geregelt.
Arten von Pflegschaften
„Pflegschaft“ ist ein Sammelbegriff, welcher die jeweils einzeln im Gesetz geregelten Fälle umfasst. Es gibt verschiedene Arten von Pflegschaft, hier eine kleine Auswahl:
Leibesfruchtpflegschaft
Bei einer Leibesfruchtpflegschaft handelt es sich nach Paragraf 1912 BGB um eine Pflegschaft für ein Kind, das zwar bereits gezeugt, aber noch nicht geboren wurde. Zur Wahrung seiner künftigen Rechte (zum Beispiel des Erbrechts) ist dann eine Pflegschaft anzuordnen, sofern diese Rechte nicht von dem zukünftigen Inhaber der elterlichen Sorge geltend gemacht werden können. Die Pflegschaft endet mit der Geburt des Kindes, sofern ihr Zweck nicht bereits vorher erledigt ist.
Ergänzungspflegschaft
Bei einer Ergänzungspflegschaft wird nach Paragraf 1909 BGB ein Teilbereich der elterlichen Sorge für einen Minderjährigen auf einen Ergänzungspfleger gerichtlich übertragen. Dies erfolgt dann, wenn die Eltern in einem Teilbereich an der Ausübung der elterlichen Sorge verhindert sind. Auf Grund der hohen Voraussetzungen, die bei einem Entzug der gesamten elterlichen Sorge nach Paragraf 1666 BGB vorliegen müssen, erfolgt oft zunächst nur ein Teilentzug und die Bestellung eines Ergänzungspflegers.
Abwesenheitspflegschaft
Die Abwesenheitspflegschaft kommt dann zur Anwendung, wenn vermögensrechtliche Angelegenheiten eines abwesenden Volljährigen der Fürsorge bedürfen (Paragraf 1911 BGB). Anwendungsfälle sind sowohl unbekannter Aufenthalt als auch Verhinderung an der Rückkehr zur Besorgung seiner Angelegenheiten.
Verfahrenspflegschaft
Der gerichtlich bestellte Verfahrenspfleger vertritt die Interessen des Betroffenen im Verfahren vor dem Betreuungsgericht (zum Beispeil bei Bestellung eines Betreuers oder Anordnung einer Unterbringung), kann für diesen Anträge stellen, Rechtsmittel einlegen und an den gerichtlichen Anhörungen teilnehmen. Der Verfahrenspfleger hat, ähnlich wie ein Rechtsanwalt, als Parteivertreter die gleichen Rechte und Pflichten für seinen „Mandanten“. Es gelten daher die gleichen Bestimmungen zum Datenschutz, zur Dokumentation und Aussageverweigerungsrecht.
Der Verfahrenspfleger soll dem Betroffenen das gerichtliche Verfahren sowie Inhalte und Mitteilungen des Gerichtes erläutern. Auch soll er Wünsche des Betroffenen an das Gericht übermitteln. Ferner kann er darauf achten, ob alle möglichen freiwilligen Hilfen für den Betroffenen ausgeschöpft sind. Rechtsgrundlage ist das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) in Betreuungsverfahren (Paragraf 276 FamFG) und in Unterbringungsverfahren (Paragraf 317 FamFG).
Nachlasspflegschaft
Die Nachlasspflegschaft wird durch das Nachlassgericht gemäß Paragraf 1960 BGB angeordnet. Der bestellte Nachlasspfleger ist dann gesetzlicher Vertreter des bzw. der unbekannten Erben und hat die Aufgabe, diese/n zu ermitteln und die Nachlassangelegenheit abzuwickeln. Zu seinen Aufgaben gehört zum Beispiel die Beendigung und Abwicklung des Wohnraummietverhältnisses mit dem Erblasser, der Kontakt mit Nachlassgläubigern, die Bezahlung der Bestattungskosten und vieles mehr.